Historie des Lübecker Reitervereins

Lübeck im Jahr 1892 - Pferde zogen die Straßenbahn, Handel, Handwerk und Gesellschaft waren auf den bespannten Lieferverkehr angewiesen, von Autos keine Spur.

Als die Torsperre 1864 in Lübeck aufgehoben wurde, entstanden die Sommerhäuser der begüterten Bürger als Zweitwohnsitze vor den Stadtmauern, insbesondere vor dem Burgtor. Jedes Haus verfügte über einen Pferdestall mit Kutschpferden, die auch zum Reiten genutzt wurden. Vielfach trabten die Herren zu ihren Geschäften in die Stadt.
Aus diesem Zeitgeist heraus wurde der Lübecker Reiterverein im Jahre 1892 von Konsul Hermann Fehling gegründet und diente überwiegend dem gesellschaftlichem Amüsement.

Geritten wurde auf der Anlage Reinck in der Neustraße; dort befindet sich heute das Arbeitgericht. Man traf sich am Sonntagmorgen zum Musikreiten und erfreute sich im Herbst bei Jagden in der Palinger Heide.

1907 übernahm Johannes Christoph Fehling den Vorsitz des Vereins nach dem frühen Tod seines Vaters.
Nach dem Ersten Weltkrieg, Major Fehling war unversehrt aus dem Krieg zurückgekehrt, zog der Lübecker Reiterverein unter der Leitung des Oberwachtmeisters Martin Isenberg in die Stallungen der Familie Fehling an die Eschenburgerstraße (hinter Nr. 25 bis Nr. 31), errichtete eine Holzhalle als Reitbahn, die später durch eine neue anspruchsvollere Halle ersetzt wurde, und startete den Reitbetrieb mit einigen ausgedienten Kavalleriepferden wieder neu.

1925 änderte man den Namen des Lübecker Reitervereins und nannte sich fortan 'Verein der Pferdefreunde von Lübeck und Umgegend', da sich am 3. Oktober jenes Jahres 20 vornehmlich Gärtner- und Landwirtssöhne anschickten, eine weitere Pferdesportgemeinschaft unter dem Namen „Lübecker Reiterverein“ aus der Taufe zu heben.
Diese beiden Vereine verbündeten sich später zu diesem Verein.

In den goldenen zwanziger Jahren veranstaltete man Reiterfeste, Turniere, Wettrennen und Jagden auf der Palinger Heide. Auch Damen zeigten sich zunehmend angetan, das Glück der Erde auf dem Rücken der Pferde zu suchen. Frau von Melle war dabei die erste Dame der Lübecker Gesellschaft, die im Herrensitz an Jagden teilnahm und couragiert vor den Herren den Fuchsschwanz griff.

Vornehm ging es in den Stallungen zu, als die Baronin von der Decken die Anlage in der Eschenburgerstraße von dem Reitlehrer Martin Isenberg kaufte. Das Stallpersonal trug eine Art von Livrée, wenn es die Pferde in die Bahn zum Aufsitzen führte, und in der Stallgasse lag ein roter Kokosläufer.
Die Baronin hatte sich nach einigen Jahren finanziell übernommen; der Reiterverein nahm die ebenso betrübliche wie günstige Gelegenheit wahr und kaufte den Reitstall samt angrenzender Ländereien, so dass er nunmehr über eigene Sportanlagen verfügte.


Die Nationalsozialisten brachten dem „Herrensport“ nur wenig Verständnis entgegen, aber um den Reitstall zu halten, wurde 1933 ein SA-Reitersturm gebildet. Der Reitstall blieb somit erhalten und wurde als Ausbildungsstätte für den Reitersturm genutzt. Relativ ungehindert konnte auch der Verein selbst seine Aktivitäten weiter an der Eschenburgerstraße fortsetzen.

Nach dem Krieg liefen die Reiterlichen Aktivitäten langsam wieder an.

Die vereinseitigen Travewiesen wurden nach dem Bombenangriff 1942 mit Schutt aufgefüllt und von der englischen Besatzungsmacht geglättet, so dass auf einem respektablen Turnierplatz von 1948 bis 1962 Turniere stattfinden konnten.

Das Gelände dehnte sich über eine Fläche von 20.000 Quadratmeter aus.

Als die Travemünder Allee Anfang der sechziger Jahre vierspurig ausgebaut werden sollte, fragte das Stadtplanungsamt an, ob der Verein die Eschenburgstraße eventuell aufgeben würde. Nach längeren Verhandlungen mit der Stadt durch Konsul Boie und dem Kassenwart Martin Baumeyer konnte die Stadt veranlasst werden, dem Verein das Ersatzgrundstück „Am Rittbrook“ zu stellen.

Der Neubau wurde 1964 nach den Plänen von dem Architekten Müller–Scherz fertig gestellt, wobei die Reithalle aus der Eschenburgstraße mitgenommen und wieder aufgebaut wurde.

Im August 1967 fand das erste Turnier auf der neuen Anlage am Rittbrook statt. Weitere kleine und große Turniere sollte bis auf wenige Ausnahmen jährlich folgen. Unter dem wachsenden Konkurrenzdruck und der Erkenntnis, dass unsere Reithallen nach 25 Jahren nicht mehr den modernen Erfordernissen entsprachen, wurden Mitte der 80-iger Jahre, unter dem Vorsitz von Konsul Jochen Brüggen, die zwei neuen Hallen gebaut.

2008 konnte noch eine 18-Meter-Führanlage hinzugefügt werden, um dem aktuellen Anspruch der modernen Pferdehaltung und Sportreiterei zu entsprechen.

Viele Persönlichkeiten haben in der Vergangenheit dazu beigetragen, den Lübecker Reiterverein zu dem werden zu lassen, was er heute ist.

Ihnen allen sei an dieser Stelle noch einmal ausdrücklich gedankt - Vorständen, Mitgliedern, Reitlehrern, Ausbildern und den vielen Stallmeistern und Pflegern, die teilweise viele Jahrzehnte für den Lübecker Reiterverein tätig gewesen sind. Ohne sie besäße der Verein die Reitsportanlage „Am Rittbrook“ sicherlich nicht.

Der Vorstand des Lübecker Reitervereins im Jahre 1986 (von links: )